Kreisorganisation: Organisationsform der Zukunft?

Bereits im November 2017 habe ich in Hünfelden ein offenes Seminar zum Thema ‚Organisationsformen der Zukunft‘ durchgeführt. Seit dieser Zeit bin ich mit alternativen Organisationsformen, die eben nicht klassisch pyramidal und hierarchisch sind, immer wieder in Berührung gekommen: 

  • Zuerst in der Werkstatt für kollegiale Führung in Hamburg, in der Claudia Schröder und Bernd Oestereich das Thema Selbstorganisation und Kreisorganisation immer weiter vorantreiben und ich meine Ausbildung zum Agilen Organisationsentwickler vor einem Jahr abschließen konnte. 
  • Dann zuletzt vor drei Wochen, als ich als Teilnehmerin eine ‚Onboarding-Veranstaltung‘ der Firma eurosysteam GmbH in Heidelberg besucht habe. (Seitenbemerkung: In Zukunft werde ich das Team der eurosysteam als Freelancerin unterstützen, um unter anderem Organisationen genau bei solchen Veränderungs-Projekten in Richtung Kreisorganisationen zu begleiten.) Bei dieser Veranstaltung habe ich über das Change-Projekt der metafinanz (Mitglied der Allianz Gruppe) erfahren, welches 2017 mit dem Ziel, mehr Kundennähe zu schaffen bzw. die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden zu stärken, begonnen hat. Eines der Ergebnisse dieses Change-Projektes ist eine Kreisorganisation, bei der kleine Geschäftseinheiten eigenverantwortlich und relativ unabhängig von den anderen Einheiten agieren, auf Kundenbedürfnisse direkt eingehen und des Weiteren die Dienstleistungskreise sowie die Unternehmensleitung steuern. Es ist also ein umgestülpter Ansatz zu dem Pyramiden-Ansatz. 


Was macht eine Kreisorganisation aus?

  • Das Organigramm ist kreisförmig aufgebaut und liest sich vom äußeren Kreis zum inneren. Im äußeren Kreis befinden sich viele einzelne Geschäftsbereiche, die jeweils als interdisziplinäre autonome Teams agieren und in direktem Kontakt zum Markt bzw. zu den Kunden stehen. Weiter innen im Kreis befinden sich Unterstützungsfunktionen wie Buchhaltung, Gehaltsabrechnung bis hin zur Unternehmensleitung.
  • Im äußeren Kreis: Geschäftsbereiche bestehend aus autonom agierenden Teams, die jeweils entweder für einen Kunden bzw. ein Kundensegment oder für eine Dienstleistung bzw. ein Produkt verantwortlich sind. Jedes dieser Teams (ca. 5 bis 9 Personen) ist selbstorganisiert. Es hat die volle wirtschaftliche Verantwortung für sein Handeln und besitzt alle Kompetenzen und Befähigungen, eine komplette Wertschöpfung für Kunden, ein Kundensegment oder einen Großkunden zu generieren.
  • Weiter innen im Kreis: Querschnittsteams zur Unterstützung der Teams mit direkter Wertschöpfung umfassen Aufgaben wie Buchhaltung und Gehaltsabrechnung, die wir aus hierarchischen Organisationen auch kennen. Nur sind es deutlich weniger als in den bekannten pyramidalen Organigrammen. Denn Kompetenzen und Fähigkeiten wie zum Beispiel Marketing und Vertrieb, die für das Produkt oder die Dienstleistung einen Wettbewerbsunterschied machen, sind eher im dedizierten Produkt-Team zu finden als in einer Querschnittsfunktion. 
  • Der innerste Kreis: Das Kapital bzw. die Gesellschafter bilden den innersten Kreis. Sie sind zuerst da, von ihnen stammt die Unternehmensidee und auch der Wunsch nach einer Kreisorganisation (sonst wird es nicht funktionieren!). Danach geben sie viele Rechte zur Unternehmenssteuerung an ihre Mitarbeiter ab, übernehmen aber weiterhin abhängig von der gewählten Gesellschaftsform die notwendigen Rechte und Pflichten.

Die Führung des Unternehmens geschieht von außen nach innen. Selbst die Unternehmensleitung wird zumindest teilweise von den autonomen, am Markt orientierten Produkt- bzw. Dienstleistungsteams gesteuert. Sie können vorgeben, welche Dienstleistungen sie von der Unternehmensleitung wünschen, damit sie ihre Wertschöpfung bestmöglich erreichen können.


Warum das Ganze?

Die offensichtlichsten Gründe für eine Kreisorganisation sind die Nähe zum Markt und damit verbunden ein schnelleres Reagieren auf Veränderungen bei der Kundschaft sowie mehr Verantwortungsübernahme durch die Mitarbeiter in den autonomen wirtschaftlich verantwortlichen Teams.


Fallstricke bei dem Veränderungsprozess hin zur Kreisorganisation:

  • Es braucht Geduld. Am Beispiel der metafinanz sieht man, dass es sich um einen Prozess von Jahren nicht Monaten handelt. 
  • Es werden nicht alle Mitarbeiter mitgehen. Das gilt sowohl für Führungskräfte, die nicht zurück ins Team möchten, als auch für Mitarbeiter:innen, die nicht so stark in die Verantwortung gehen möchten.
  • Es braucht Weiterbildung für fast alle. Teamentscheidungskompetenz, Diskussions- und Kommunikationsfähigkeiten, Konfliktlösungsmethoden können nicht vorausgesetzt werden; sie müssen über einen längeren Zeitraum erlernt werden.
  • Es braucht Mut und Vertrauen, denn es ist ein echter Paradigmenwechsel.


Ist eine Kreisorganisation gleich einer agilen Organisation?

Meine Antwort lautet: nein. 

  • Eine agile Organisation kann zumindest teilweise pyramidal hierarchisch organisiert sein. Das heißt, die Unternehmensleitung gibt die Strategie vor, entscheidet, welche Dienstleistungen und Produkte angeboten werden sollen, und etabliert autonome Produkt- bzw. Dienstleistungs-Teams, die nach agilen Prinzipien arbeiten.
  • Ein Kreisorganisation ist aufgebaut wie von mir beschrieben, aber möglicherweise nutzen die autonomen Produkt- bzw. Dienstleistungs-Teams wenige bis gar keine agilen Methoden. Sie kommen zum Beispiel ohne agile Boards aus und nutzen eigene nicht dediziert agile Meeting-Formate.


Ist die Kreisorganisation für alle Unternehmen geeignet?

Die Realität zeigt, dass es eher kleinere Unternehmen sind, die eine Kreisstruktur erfolgreich leben. Ein Beispiel ist die 24translate Direct GmbH & Co. KG mit ca. 150 Mitarbeitern. Das größte mir bekannte Unternehmen, dass eine Kreisstruktur hat, ist die metafinanz Informationssysteme GmbH mit ca. 800 Mitarbeitern.
Meine Überzeugung ist, dass wir in Zukunft noch mehr über diese Organisationsform hören und lesen werden. Vielleicht stellt sie sogar eine Lösungsmöglichkeit für die Herausforderungen Deines Unternehmens dar!

Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden zweiten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren


Lese- und Videotipps:


Andrea SchmittInnovationstrainerinAm Mittelpfad 24a65520 Bad Camberg+49 64 34-905 997+49 175 5196446
Ihre Nachricht
Ihre Daten

Wenn Sie mir eine E-Mail senden, speichere ich Ihre E-Mail-Adresse sowie weitere Daten, die Sie im Formular eintragen. Weitere Infos dazu finden Sie in der Datenschutzerklärung.


Diese Website benötigt ein sogenanntes „Session-Cookie“ um die von Ihnen gewählte Sprachversion festzulegen und das Kontaktformular vor Missbrauch zu sichern. Dieses Session-Cookie wird nach dem Beenden des Browsers automatisch gelöscht. Wenn Sie Cookies zustimmen wird diese Zustimmung in einem weiteren Cookie für die Dauer von 4 Wochen gespeichert. Wir vewenden den Webanalysedienst Matomo um zu sehen, welche unserer Seite für Sie interessant sind und so unser Angebot zu verbessern. Matomo setzt keine Cookies und anonymisiert Ihre IP-Adresse. Gewonnene Daten werden nicht mit anderen Daten oder Diensten zusammengeführt. Weitere Informationen, sowie die Möglichkeit von Matomo nicht erfasst zu werden, finden Sie in derDatenschutzerklärung