Rituale praktizieren wir alle. Sie geben uns Sicherheit und stiften Gemeinschaft – in der Familie genauso wie in der Firma oder in der Gesellschaft.
Während in der Familie die gemeinsamen Mahlzeiten, die Art und Weise das Weihnachtsfest zu gestalten, Geburtstagsfeste usw. Rituale darstellen, können das im Unternehmen Meeting-Strukturen, Jahres-Mitarbeitergespräche und Firmenveranstaltungen wie Sommer- oder Weihnachtsfeste sein. Gesellschaftlich können wir Rituale regional erkennen. Der Rosenmontagszug in Köln, Düsseldorf oder Mainz lässt sich sicherlich als Ritual einordnen. Findet dieser nicht statt, wie in Zeiten der Pandemie, schafft das Fehlen des Rituals zusätzlich Unsicherheit. Umso bemerkenswerter, dass vorgestern die Kölner ihren Rosenmontagszug umgemünzt haben in eine Friedensdemonstration, um ihre Solidarität mit den Ukrainer zu verdeutlichen. Sie haben somit an ihrem Ritual festgehalten und durch die Solidaritätserklärung an ein anderes Volk die Gemeinschaft doppelt gestärkt. Ich ziehe meinen Hut vor den Kölner Karnevalisten!
Rituale sind aus meiner Sicht von immenser Bedeutung für den Zusammenhalt in der Familie, im Unternehmen und in der Gesellschaft. Die Pandemie hat uns gezeigt, welche negative Auswirkung fehlende Rituale auf uns Menschen haben. Denn die meisten von uns brauchen die Gemeinschaft. Brechen Zusammenkünfte innerhalb von Familien, im Freundeskreis, im Sportverein, zwischen Kollegen und Kolleginnen oder gesellschaftlicher Art (dazu gehören Karnevalsumzüge, Fußballspiele, Dorffeste) weg, hat das negative Auswirkungen auf die Psyche der Menschen. Ohne Rituale fehlt den Menschen Beständigkeit als Gegenpol zur sich ständig ändernden Außenwelt und Zugehörigkeit zu anderen Menschen.
Auf Rituale in Unternehmen bezogen bedeutet das...
Kommen Führungskräfte oder Teamleiter:innen neu in ein Unternehmen, ist es empfehlenswert genau hinzuschauen, welche Rituale es gibt und welchen Zweck sie erfüllen. Auf keinen Fall sollte ein ‚Neuling‘ im Übereifer Rituale wie bestimmte Meetings, Geburtstagspraktiken oder Sonstiges einfach und ungeprüft abschaffen.
Vielmehr ist ein Gespür nötig, welche Rituale zusätzlich eingeführt werden könnten, um die Gemeinschaft und das Zugehörigkeitsgefühl der Teammitglieder zu stärken. Beispiele könnten tägliche Kurzmeetings ,sogenannte Dailys, oder monatliche Teammeetings zur Verbesserung der Zusammenarbeit (Retrospektiven) sein. Auch Rituale innerhalb von Meetings können Sicherheit geben, wie zum Beispiel regelmäßige Check-in oder Check-out-Runden, in denen zu Beginn und zum Ende eines Meetings jede und jeder zu Wort kommt. Beispielfragen könnten sein: Wie bist Du heute hier? Welcher Gedanke beschäftigt Dich? Was sollten wir heute über Dich wissen? Was stimmt Dich heute positiv? ...
Rituale können Teams auch helfen Übergänge und Veränderung gut zu gestalten. Rituale, die Altes würdigen oder Erreichtes feiern, erlauben einen guten Abschied und schaffen somit Raum und Bereitschaft für Neues. Auch Neues kann ritualisiert werden, wie wir es oft durch Kick-off-Meetings bereits tun.
Kurz zusammengefasst: Rituale verdienen Aufmerksamkeit!
- Tipp 1: Rituale nicht voreilig abschaffen – sie haben eine Funktion
- Tipp 2: Ausschau halten, welche Rituale man einführen könnte, um Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit zu stärken
- Tipp 3: Durch Rituale können Übergänge gestaltet werden: Altes würdigen, um Neuem Raum zu geben, ist wichtig!
Nachtrag - Unterscheidung Routine und Ritual:
Ein Ritual betrifft viele oder zumindest mehrere Menschen und fördert unter ihnen das Gemeinschaftsgefühl. Routine betrifft meist den Einzelnen und bezieht sich auf Dinge, die er oder sie regelmäßig tut. Routine kann dem Einzelnen Sicherheit geben, ist aber nicht in der Lage, Gemeinschaft zu stiften.
Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden zweiten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren