Zuwendung und Aufmerksamkeit brauchen wir alle…

Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, müssen wir zugeben, dass wir uns gut fühlen, wenn wir von anderen wahrgenommen werden. Und im Umkehrschluss fühlen wir uns unwohl, wenn zum Beispiel ein freundlicher Gruß unsererseits beim Gegenüber ins Leere läuft beziehungsweise keine Erwiderung findet.

Das geht auf ein urmenschliches Bedürfnis nach Zuwendung zurück. Als Neugeborene brauchen wir körperliche Streicheleinheiten; wenn wir älter werden, lernen wir als Ersatz dafür, mit nicht körperlichen Zuwendungen zurechtzukommen. Diese nicht körperlichen Zuwendungen können sowohl positiv als auch negativ sein. 

Bei Kindern kann man es am einfachsten beobachten: Bekommen sie nicht genug Aufmerksamkeit, versuchen sie zunächst einmal positive Zuwendung der Erwachsenen zu ergattern, indem sie Dinge tun, für die sie eine Belohnung erwarten. Wenn diese Dinge nicht zu der erhofften Aufmerksamkeit führen, greifen sie zu Maßnahmen, die den Erwachsenen wahrscheinlich nicht gefallen werden. Beispielsweise werden sie aufmüpfig, laut oder machen Dinge kaputt. Spätestens dann können sie sich einer Reaktion der Erwachsenen sicher sein, meist in Form eines Schimpfens. Sie haben damit ihr Ziel, wahrgenommen zu werden, erreicht, denn negative Zuwendung ist aus psychologischer Sicht besser als keinerlei Zuwendung.

Laut des Psychiaters Eric Berne ist das Erfüllen des Bedürfnisses nach Anerkennung, Zuwendung oder einfach wahrgenommen zu werden für jeden von uns überlebenswichtig -zumindest aus psychologischer Sicht. Wenn dem so ist, sollten wir davon ausgehen können, dass jede und jeder von uns alles dafür tun wird, um das für sie oder ihn persönlich erforderliche Maß an Anerkennung zu erhalten.

Leider steht uns dabei unsere Prägung durch Erziehung und gesellschaftliche Normen im Weg. Der Psychotherapeut Claude M. Steiner hat den Begriff der „Stroke (Zuwendung) – Economy“ geprägt. Er beschreibt darin, dass wir unbewusst fünf Regeln befolgen, die sehr ungünstig für unseren individuellen „Zuwendungshaushalt“ sind:

  1. Gib keine Strokes (Zuwendung), auch wenn Du gerne möchtest.
  2. Bitte nicht um Strokes (Zuwendung), wenn Du welche brauchst.
  3. Nimm keine Strokes (Zuwendung) an, auch wenn Du gerne möchtest.
  4. Lehne keine Strokes (Zuwendung) ab, auch wenn Du sie nicht möchtest.
  5. Gib Dir selbst keine Strokes (Zuwendung).


Statt die oben genannten unbewussten und für unsere psychische Gesundheit ungünstigen Regeln zu befolgen, sollten wir uns lieber die Freiheit nehmen, mit Anerkennung so umzugehen, wie sie uns guttut. Das bedeutet:

  1. Anderen Zuwendung geben, wenn uns danach ist.
  2. Andere um Zuwendung bitten, wenn wir diese brauchen.
  3. Zuwendung insbesondre Lob annehmen, wenn wir uns darüber freuen.
  4. Zuwendung beziehungsweise Feedback ablehnen, wenn wir sie nicht haben wollen.
  5. Uns selbst Zuwendung schenken, denn Eigenlob stinkt nicht, sondern stimmt!


Natürlich bedeutet der 4. Aspekt nicht, dass wir uns mit negativem Feedback oder Kritik, die an uns herangetragen wird, nicht beschäftigen sollten. Denn dann hätten wir keine Chance uns zu verbessern. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zwischen bedingtem und unbedingtem Feedback

  • Bedingtes Feedback, also auf einen Kontext oder eine konkrete Situation bezogen - ob positiv oder negativ -, hilft uns dabei uns selbst einzuschätzen und gegebenenfalls zu verbessern. Zum Beispiel: „In deinem letzten Vortrag hat mir besonders gefallen, dass Du viele praktische Beispiele angeführt hast.“ Oder: „In deinem letzten Wochenbericht hast Du sehr viele Fremdwörter verwendet. Ich befürchte, dass unsere Leserschaft nicht in der Lage sein wird, alle Punkte zu verstehen.“
  • Positives unbedingtes Feedback ist normalerweise sehr nährend, zum Beispiel: „Schön, dass es Dich gibt“. Negatives unbedingtes Feedback wirkt hingegen destruktiv oder gar toxisch, zum Beispiel: „Du bist ein hoffnungsloser Fall.“ Natürlich sollte man als verantwortungsvoller Mensch niemals solch unbedingtes negatives Feedback geben. Wenn es allerdings doch einmal passieren sollte, dass toxisches Feedback an einen ausgeschüttet wird, dann kommt der 4. Punkt zum Tragen: Du darfst Feedback ablehnen, wenn Du es nicht haben willst oder es Dir nicht guttut. Dieser Fall ‚des nicht haben Wollens‘ kann auch bei positivem unbedingtem Feedback eintreten. Man denke an eine Situation, in der eine Person einer anderen Person unbedingte positive Zuwendung ausspricht und gleichzeitig das Vertrauensverhältnis zwischen beiden Personen gestört ist. 


Jede von uns hat ihre eigene „Zuwendungsgeschichte“, die in unserer Kindheit begonnen hat. Diese Geschichte beeinflusst unsere heutige Art und Weise auf Zuwendung von anderen zu reagieren beziehungsweise in welcher Form und wie oft wir Zuwendung an andere geben. Diese Tatsache lässt unsere Interaktionen miteinander oft sehr kompliziert erscheinen. Das stellen wir sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext fest.

Unsere „Zuwendungsgeschichten“ werden wie folgt geprägt:

  • Haben wir viel bedingte positive wie negative Zuwendung erhalten, wurde höchstwahrscheinlich ein gesundes Selbstvertrauen gestärkt und wir konnten einen guten Fremdbild-Eigenbild-Abgleich vornehmen. Sind wir diese Art der bedingten Zuwendung gewohnt, können wir sie im Normalfall auch heute gut annehmen und für uns wertvoll verarbeiten.
  • Haben wir viel unbedingte positive Zuwendung erhalten, haben wir sehr wahrscheinlich ein gutes Selbstwertgefühl und wissen, was wir als Mensch wert sind, ohne dafür dedizierte Leistung erbringen zu müssen.
  • Haben wir hingegen viel destruktiv wirkendes unbedingtes negatives Feedback bekommen, dann führt das sehr wahrscheinlich zu einem geringen Selbstwertgefühl, dass entweder durch starken Leistungstrieb oder andere Antreiber kompensiert wird.


Fazit: In der Zusammenarbeit mit Kollegen und Kolleginnen sowie unserem Zusammenleben mit Partnern oder Partnerinnen sollten wir immer im Hinterkopf behalten, dass jede Person aufgrund ihrer persönlichen „Zuwendungsgeschichte“ ein unterschiedliches Maß an Zuwendung benötigt sowie unterschiedlich damit umgeht, sei es beim Empfangen oder beim Geben. Außerdem möchte ich mit diesem Text dazu ermutigen, sich gut um seinen eigenen persönlichen Zuwendungshaushalt zu kümmern, denn es ist in Ordnung um Zuwendung zu bitten, wenn wir sie benötigen.  

Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden zweiten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren


Lese-, Hör- und Videotipps:


Andrea SchmittInnovationstrainerinAm Mittelpfad 24a65520 Bad Camberg+49 64 34-905 997+49 175 5196446
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