Bei meinem letzten Führungskräfteseminar, in dem auch das Thema Emotionale Intelligenz bearbeitet werden sollte, fragte ein Teilnehmer ganz zu Beginn dieses Themenblocks: „Müssen wir wirklich nochmal über dieses Thema sprechen? Bei uns ist doch sowieso schon alles so weichgespült. Wir müssen auf jede Befindlichkeit Rücksicht nehmen. Irgendwann ist es doch auch gut, zumindest wenn es wirtschaftlich immer schwieriger wird.“
Mir hat dieser Kommentar des Seminarteilnehmers vor allem gezeigt, in welchem Dilemma Führungskräfte im unteren und mittleren Management stecken. Sie bekommen den Druck des höheren Managements, der durch die aktuelle wirtschaftliche Krise entsteht, zu spüren, wollen Firmenwerte wie Wertschätzung, Augenhöhe, Gemeinsamkeit und Kundenfokus leben und wissen auf der anderen Seite nicht, wie sie mit weniger Teammitgliedern, viele Projekte zu großer Kundenzufriedenheit gestalten sollen. Sie sitzen sozusagen zwischen den Stühlen.
Leider gibt es nicht den einen Trick für Führungskräfte, die sich in dem beschriebenen Dilemma befinden. Aber die Komponenten der Emotionalen Intelligenz wie Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Empathie und soziale Kompetenz sind die besten Voraussetzungen für das Erkennen und Beurteilen von Spielräumen und Handlungsoptionen, um Dilemmata zumindest teilweise aufzulösen.
Die Komponenten der Emotionalen Intelligenz lauten:
- Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung: eigene Gefühle erkennen und eigene Verhaltensweisen sehr bewusst kontrollieren
- Empathie: Gefühle anderer wahrnehmen und verstehen, sowie sein eigenes Verhalten an die Situation des Gegenübers anpassen
- Soziale Kompetenz: Kontakte und Beziehungen zu anderen Menschen knüpfen und aufrechterhalten
Folgende Antwort habe ich dem Seminarteilnehmer auf seine Frage, ob wir wirklich nochmal über Emotionale Intelligenz sprechen müssen, gegeben: „Vor allem in Veränderungsprozessen umfasst die Führungsaufgabe auch das Führen von Emotionen. Der Erfolg einer Führungskraft hängt maßgeblich davon ab, wie gut sie ihre eigenen Emotionen sowie die ihrer Mitarbeitenden führt. Das schließt nicht aus, dass die Führungskraft klar kommuniziert auch die unangenehmen Wahrheiten wie Stellenabbau und höhere Arbeitsbelastung. Aber sie darf - aus meiner Sicht - nach der Kommunikation ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mit den unangenehmen Wahrheiten allein lassen.“
Fazit: Emotionale Intelligenz wird immer ihren Platz haben – vor allem in unsicheren Zeiten, denn dann muss eine Führungskraft erst recht ein gutes Gespür für die eigenen Emotionen und die ihrer Mitarbeitenden haben.
Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint einmal im Monat. Hier können Sie ihn abonnieren