Agiles Arbeiten ist populär, keine Frage. Allerdings sind viele agile Transformationen keine Erfolgsgeschichten. Falsche Erwartungen, was agil leisten kann, oder ungeeignete Rahmenbedingungen sind aus meiner Sicht häufige Gründe für das Scheitern solcher Veränderungsvorhaben.
Hier sind einige Beobachtungen, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, wo und wann agiles Arbeiten NICHT die richtige Lösung ist:
- Entscheidungen sollen größtenteils der Führungsmannschaft obliegen, Mitarbeiter:innen werden von der Unternehmensführung vor allem als ausführende Kraft gesehen.
- Das Wissen, was sich die Kundschaft wünscht, ist im Unternehmen bekannt und muss nicht überprüft werden.
- Prozesse zur Wertschöpfung unterliegen nur wenigen Änderungen, selten werden neue Prozesse hinzugefügt.
- Rollen und Verantwortungen sind je Mitarbeiter:in klar definiert, dazu passend gibt es Individualziele.
- Zusammenarbeit zwischen Teammitgliedern ist nicht oder nur wenig für die Wertschöpfung erforderlich.
- Die Mehrheit der Mitarbeiter:innen möchte individuell arbeiten und sich möglichst wenig mit anderen Teammitgliedern abstimmen.
Natürlich habe ich auch erfolgreiche Transformationen gesehen. Meistens waren die folgenden Begleitumstände im Vorfeld gegeben:
- Kundenbedürfnisse und Marktbedingungen unterliegen starken sowie häufigen Änderungen.
- Die Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens sind komplex und erfordern die enge Zusammenarbeit von mehreren Mitarbeiter:innen mit unterschiedlichen Kompetenzen.
- Das Unternehmen ist bereit, Individualzielvereinbarungen über Bord zu werfen
- Das Unternehmen ist bereit, Entscheidungen an die Stelle (Mitarbeiter:innen) zu verlagern, die die Auswirkung der Entscheidung tragen müssen sowie das umfangreichste Wissen für das Treffen der Entscheidung haben.
- Die Mitarbeiter:innen wollen Verantwortung für einen größeren Bereich der Wertschöpfungskette übernehmen.
- Mitarbeiter:innen und Führungskräfte begrüßen Transparenz (zu erledigter Arbeit, gemachten Fehlern, Unternehmenszahlen, etc.).
- Führungskräfte verstehen sich als Diener, Mentoren und Coaches für Ihre Mitarbeiter:innen.
- Der Purpose (Sinn) und das Ziel des Unternehmens ist allen Mitarbeiter:innen und Führungskräften bekannt.
Es liegt auf der Hand, dass größere Unternehmen mit insgesamt starreren Prozessen als man sie in kleineren Unternehmen vorfindet, sich schwerer tun, eine erfolgreiche agile Transformation durchzuführen. Auch findet die Wertschöpfung in größeren Unternehmen oft verteilt auf viele Teams statt, die jeweils ‚nur‘ einen Schritt der Wertschöpfung realisieren. Wenn dort einzelne Teams auf agiles Arbeiten umgestellt werden, kann diese Arbeitsweise seine Wirkung kaum entfalten. Hier müsste eine Transformation eher als neue Organisationsarchitektur gedacht werden, wie ich sie in einem meiner letzten Newsletter zum Thema Kreisorganisation beschrieben habe (siehe Lesetipps unten).
Bei kleineren Unternehmen oder relativ autonomen Bereichen von Konzernen kann eine Umstellung auf eine agile Arbeitsweise einfacher eine positive Wirkung zeigen. Üblicherweise ist dort die Belegschaft bereits stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden, arbeitet enger mit den Kunden zusammen und fühlt sich für den Unternehmenserfolg verantwortlich.
Woran man aus meiner Sicht erkennt, dass die agile Transformation gelungen ist (hier mal eine etwas andere Definition von agil):
- Die Wertschöpfung entsteht durch selbstorganisierte interdisziplinär zusammengesetzte Teams.
- Diese richten ihre Arbeit immer an den Bedürfnissen der Kunden aus, was sie durch regelmäßigen Kundenkontakt sicherstellen.
- Sie pflegen eine effektive und regelmäßige Kommunikation untereinander.
- Sie arbeiten mit gleichmäßiger Geschwindigkeit über einen langen Zeitraum.
- Sie haben eine gute Balance in der Arbeitsauslastung ihrer Teammitglieder.
- Sie reflektieren ihre Zusammenarbeit regelmäßig und verbessern ihre Prozesse kontinuierlich.
Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden zweiten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren