Wir kennen es alle: Wir haben uns etwas vorgenommen, was nicht unserer Lieblingstätigkeit entspricht. Dann fangen wir entweder gar nicht erst damit an, suchen uns andere vermeintlich wichtige Aufgaben oder lassen uns ständig ablenken. Das nennt man Prokrastination. Darin sind die meisten von uns richtig gut…
Natürlich wünschen wir uns, wir würden einfach anfangen und dann die Sache fokussiert weiterverfolgen.
Aber was heißt überhaupt Fokus? Der Begriff stammt aus der Physik und bedeutet das Bündeln von Lichtstrahlen. Wir verwenden das Wort ‚Fokus‘ häufig in dem Kontext, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf eine Sache richten bzw. bündeln. Es gibt aber auch noch eine weitere Ebene des Begriffs Fokus, nämlich das Wesentliche im Blick behalten: Wie passt das, was ich gerade mache in mein übergeordnetes (Lebens-)Ziel oder das der Organisation, für die ich arbeite?
Diese beiden Ebenen von Fokus benötigen unterschiedliche Verhaltensweisen oder Haltungen. Es gibt also nicht die eine Maßnahme zum Thema Aufmerksamkeit.
Um eine Sache konzentriert und zügig zu Ende zu bringen, braucht es Disziplin sowie eine ruhige Umgebung – also möglichst wenig Geräusche oder visuelle Ablenkungen. Als Vorbereitung auf eine konzentrierte Arbeit wird oft das Meditieren angeführt, denn in der Meditation geht es um Achtsamkeit und Fokus für den Augenblick. Nichts anderes benötigen wir, wenn wir eine Sache zu Ende bringen wollen, ohne dass unsere Gedanken mal in die Vergangenheit oder in die Zukunft abschweifen.
Die maximale Form des Fokus ist sicherlich der ‚Flow‘. Ich denke, die meisten von uns kennen das, wenn man so in etwas vertieft ist, dass man gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergeht. Solltet Ihr das noch nicht erlebt haben, seid Ihr wohlmöglich nicht in Eurem Traumjob gelandet. Denn in diesen Flow kommen wir meistens bei Tätigkeiten, die uns herausfordern aber nicht überfordern und für die wir eine starke Neigung haben sowie eine hohe Motivation verspüren.
Um ein übergeordnetes Ziel im Blick zu halten, braucht es ein regelmäßiges Zurücktreten, ein bewusstes Nicht-fokussiert-sein bis hin zu einem Sich-zerstreuen. Denn wer Aufgabe an Aufgabe reiht, läuft Gefahr seinen eigentlichen Weg zu verlieren. Dabei fällt mir das 10. Agile Prinzip ein: „Beherrsche die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren.“ Es geht also darum das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Denn nur wenn man diese Kunst beherrscht, dann bleibt Zeit, Raum und Aufmerksamkeit für die wesentlichen Dinge und das bereits erwähnte Zurücktreten.
Gleichzeitig benötigen wir auch Impulse von außen, um unser Tun und Streben zu justieren und zu überprüfen, ob dieses noch immer stimmig ist mit unserem übergeordneten Ziel. Zu diesen Impulsen zählen der Austausch mit anderen Menschen, das Besuchen von Kulturveranstaltungen, das Konsumieren von Literatur sowie das Aufnehmen von vielfältigen Informationen. Wie bei so vielem ist das richtige Maß der Schlüssel zum Erfolg. Sich nicht mit Input von außen zu überfordern und ruhig mal bei einem Thema uninspiriert zu bleiben oder eine Verabredung abzusagen, kann helfen das richtige Maß zu finden.
Wir würden also einen Menschen als fokussiert bezeichnen, der sowohl die übergeordneten Ziele im Blick behält als auch – wenn er oder sie etwas bearbeitet – möglichst konzentriert bei der Sache bleibt.
Man könnte jetzt meinen, dass ich suggerieren wollte, dass jedwede Tätigkeit – selbst Ablenkung, Kultur oder Treffen mit Freunden – dem Ziel des Fokus halten dienen kann bzw. sollte. Wer das denkt, kennt mich nicht.
Denn ich bin überzeugt, dass Nichtstun, Pausen, Langeweile, Gedankenschweifen lassen oder Routinetätigkeiten wie Spülen oder Bügeln die Gesundheit und den Schlaf eines jeden Menschen verbessern. Über diesen Gesundheitsaspekt hinaus können diese nicht fokussierenden Tätigkeiten zufällig zu kreativen Ideen, Auswegen aus Dilemmata, Innovationen oder anderen guten Einfällen führen. Es ist es also wert, auch mal nicht fokussiert zu sein!
Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden dritten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren