Die kurze Antwort heißt: Götz Werner (Gründer der Drogeriemarktkette dm), denn er hat sich in seinem Lebenswerk für beide Aspekte mit großer Passion eingesetzt.
Die etwas längere Antwort lautet: sowohl bedingungsloses Grundeinkommen als auch moderne Unternehmensführung fördert die freie Entfaltung des Individuums. Beides gibt uns Menschen die Sicherheit und den Freiraum, herauszufinden was wir tun möchten und in der Folge selbstbestimmt zu handeln.
Für Götz Werner, der letzte Woche im Alter von 78 Jahren verstorben ist, bedeutete das bedingungslose Grundeinkommen die Ermöglichung von Arbeit. Aus seiner Sicht würde das bedingungslose Grundeinkommen für Sicherheit sorgen in Zeiten, in denen Menschen ihren Erwerbsarbeitsplatz verlieren und in denen Berufe verschwinden oder sich radikal verändern. Somit würde es allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe und Freiraum für Eigeninitiative erlauben. Außerdem - so Götz Werner - würde das bedingungslose Grundeinkommen der Tatsache Rechnung tragen, dass es sehr viele Tätigkeiten gibt, die nicht als Erwerbsarbeit anerkannt sind, wie beispielsweise Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen.
Da das bedingungslose Grundeinkommen an alle ohne Bedürftigkeitsprüfung oder Erwartung einer Gegenleistung ausgegeben würde, kann es nur funktionieren, wenn man an das Gute im Menschen glaubt. Also daran, dass sich Menschen freiwillig gesellschaftlich einbringen werden und dass Menschen, welche das Geld nicht benötigen - da sie ausreichend Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit beziehen - das zusätzliche Geld gesellschaftlich sinnvoll weitergeben. Nur mit dem Glauben, der Haltung und der Überzeugung, dass Menschen eigenverantwortlich sinnstiftend agieren können und wollen - ohne Kontrolle, Druck oder Zwang von außen - macht ein bedingungsloses Grundeinkommen Sinn.
Unser aktuelles Sozialsystem geht von einer anderen Maxime aus - nämlich: Menschen müssen beweisen, dass sie ein Anrecht auf soziale Leistungen haben und sie müssen über Sanktionen gezwungen werden, sich Arbeit zu suchen oder Arbeit anzunehmen. Das Gutachten vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Finanzen vom Februar 2021 kommt zu dem Schluss kommt, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen in einer existenzsichernden Höhe aus Finanzierbarkeitsgründen nicht umsetzbar ist. Außerdem weist es in der Schlussbetrachtung darauf hin, dass Menschen, deren Existenz durch eine freiwillige soziale Leistung bereits gesichert ist, nicht mehr motiviert seien, einen gesellschaftlichen Beitrag zu liefern.
Aus meiner Sicht ist es heute nicht klar vorhersagbar, wie sich ein bedingungsloses Grundeinkommen auf unsere Gesellschaft auswirken würde und somit auch nicht, ob wir uns den Glauben an das Gute im Menschen erlauben können.
Was Götz Werner allerdings mit seinem Lebenswerk bewiesen hat, ist, dass Menschen ohne Druck und Kontrolle, eigenverantwortlich und sinnstiftend als Mitarbeiter:innen agieren können und wollen. Ohne strenge Hierarchien, Vorgaben von Unternehmenszielen oder Inzentivierungen durch Verkaufsprovisionen ist es ihm gelungen, sein Unternehmen zum europäischen Marktführer mit 66.000 Mitarbeitern und einer Präsenz in 14 europäischen Ländern zu entwickeln.
Götz Werner setzte in seiner Unternehmensführung den Menschen in den Mittelpunkt und bezog damit sowohl Kunden als auch Mitarbeiter ein. Er schenkte seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Zutrauen und übertrug dadurch Verantwortung. Götz traute jedem Menschen unternehmerisches Denken zu, der Auszubildenden genauso wie dem Mitglied in der Geschäftsführung. Jegliche Kontrolle lehnte er ab. Auf Fragen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen antwortete er mit Gegenfragen und entließ sie somit nicht aus ihrer Eigenverantwortung. Für seine Managementprinzipien bediente er sich Zitaten von Goethe sowie Schiller und fand in ihnen Gedankenfreiheit. Das Goethe-Zitat aus dem Drama Faust „Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein“ wandelte er ab in „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“. Dieser Slogan ist jedem dm Kunden bekannt und verdeutlicht, wie sehr Götz den Kunden in den Mittelpunkt rückte.
Fazit: Für mich hat Götz Werner mit seiner erfolgreichen Unternehmensführung den Beweis erbracht, dass der Mensch gut ist und Sinn stiften will. Mindestens im Unternehmenskontext können wir uns eine menschenfreundliche Haltung erlauben!
Nachtrag zum Kontext: Die Unternehmensführungsprinzipien von Götz Werner überschneiden sich stark mit den Ansätzen von Agilem Arbeiten und kollegialer Führung. Aus diesem Grund interessiere ich mich ganz besonders für die Unternehmenskultur bei dm. Denn diese Ansätze finden sich in meiner Coaching Arbeit wieder, wenn ich Unternehmen dabei unterstütze Teams zu mehr Eigenverantwortung und Selbstorganisation zu begleiten.
Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden zweiten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren