Warum tun wir uns mit Veränderungen so schwer?

Diese Frage stelle ich mir fast jeden Tag.

Denn in meiner täglichen Arbeit bin ich es, die Menschen ständig Veränderungen zumutet. Mit bester Absicht unterstütze ich Teams dabei, ihre Zusammenarbeit besser und effizienter zu gestalten. Ich führe Teams zu mehr Selbstorganisation und verlange gleichzeitig von ihren Führungskräften Verantwortung abzugeben. Wenn ich Innovationsteams begleite, fordere ich von ihnen, ihre Idee in Frage zu stellen und Beweise zu finden, warum sie nicht funktionieren kann. Dieses Vorgehen ist nötig, damit das Team selbst sicherstellt, dass es nicht einer Illusion hinterherläuft und somit in die falsche Idee investiert. Ja: meine Arbeit kann für die Beteiligten sehr viel Veränderung bedeuten oder sich sehr unbequem anfühlen.

Obwohl ich diese Arbeit jetzt schon so lange mache (etwa 9 Jahre), wundere ich mich doch immer wieder aufs Neue, warum es einigen Menschen so schwerfällt, den von mir vorgeschlagenen, meist neuen und für sie unbekannten Weg mitzugehen.

Manchmal zeigen diese Menschen ihren Widerstand direkt und offen. Das ist der für mich angenehmere Fall, denn ich kann reagieren und auf die Menschen eingehen. Manchmal bekomme ich den Widerstand gar nicht mit oder bemerke ihn erst viel später. Das ist der für mich und das Team ungünstigere Fall. Und JA: einige meiner Projekte sind auch schon gescheitert...

Aber warum reagieren wir Menschen so unterschiedlich auf Veränderungen?

Zunächst einmal bin ich überzeugt davon, dass ein Teil unserer Veränderungsbereitschaft genetisch veranlagt ist. Das Riemann-Thomann Modell beschreibt vier verschiedene Kategorien von menschlichen Bedürfnissen, die individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sind: das Bedürfnis nach Nähe (Harmonie und Zugehörigkeit), nach Distanz (Autonomie und Individualität), nach Kontinuität (Ordnung und Planbarkeit) und nach Wandel (Spontanität und Veränderung). Die beiden letztgenannten Kategorien beeinflussen ganz offensichtlich die individuelle Veränderungsbereitschaft: braucht ein Mitarbeiter viel Struktur und Planbarkeit, wird er sich mit Veränderung deutlich schwerer tun als eine Mitarbeiterin, die Abwechslung und Neues geradezu sucht. Das ist einmal der erste Blick, mit dem ich in Zukunft auf die Teammitglieder oder Führungskräfte, die mir anvertraut werden, schauen möchte.

Mein zweiter Blick richtet sich auf die Veränderungsbiographie der Teammitglieder, natürlich begrenzt auf den Einblick, der mir gewährt wird. Die Tatsache, wieviel Veränderung ein Mensch durchlebt hat, beeinflusst sehr stark wie offen oder abwehrend er sich gegenüber Veränderungen verhält. Hat jemand schon viele Wechsel erfahren: Umzüge, Jobwechsel, Wechsel in der Partnerschaft, Auslandaufenthalte, Kinder, etc. und ist in der Mehrheit der Erfahrungen dabei gut durchgekommen, wird er oder sie sich vor der nächsten Veränderung nicht Bange machen. 

Lapidar sagen viele, dass ein älterer Mensch weniger veränderungsbereit ist als ein junger. Meine Erfahrung in der Arbeit mit Teams und Führungskräften in Veränderungsprozessen zeigt etwas anderes: die Veränderungsbereitschaft eines Menschen ist viel weniger mit dem Alter korreliert als mit seiner genetischen Anlage und seiner individuellen Veränderungsbiographie. Wer viele Veränderungen gemeistert hat, bleibt auch im hohen Alter noch äußerst flexibel. Als Beispiel fallen mir dazu einige Reaktionen der älteren Generation in der Pandemie ein. Ich habe Sätze gehört wie: „Wir haben einen Krieg überlebt, wir werden auch das überleben.“ Die Älteren von uns haben viel flexibler auf die Einschränkungen, die durch die Pandemie hervorgerufen wurden, reagiert als wir Jüngeren.

Ob Veränderung gelingt, hängt natürlich zusätzlich noch vom Ausmaß der Veränderung ab, der Veränderungsgeschwindigkeit und davon, wie klar und nachvollziehbar die Notwendigkeit für die Veränderung für die Beteiligten ist.

Mein Fazit: In Zukunft werde ich aus zwei Blickrichtungen auf die Individuen in einem Veränderungsprozess schauen:

  1. Ist die Person eher ein Kontinuitäts- oder ein Wandeltyp (Riemann-Thomann Modell)?
  2. Wieviel Veränderung hat die Person schon erlebt oder aktiv gestaltet?


Wenn ich dabei feststelle, dass ich es mit Teammitgliedern oder Führungskräften zu tun habe, die eher weniger veränderungsbereit sind, dann helfen mir folgende Maßnahmen:

  • Die Notwendigkeit für die Veränderung und das Ziel für alle noch verständlicher und erlebbarer machen.
  • Das Tempo und / oder das Ausmaß der Veränderung anpassen - zumindest für die Personen, die Schwierigkeiten mit der Veränderung haben.


Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden zweiten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren


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Andrea SchmittInnovationstrainerinAm Mittelpfad 24a65520 Bad Camberg+49 64 34-905 997+49 175 5196446
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