Psychologische Sicherheit

In meinem letzten Newsletter habe ich mich mit Psychologie beschäftigt und auch heute möchte ich bei diesem Thema bleiben.

2014 hat Google seine Forschungsergebnisse des Projekts Aristoteles zur Fragestellung ‚Wie man ein perfektes Team bildet?‘ erst mit seinen Mitarbeitern, dann mit der ganzen Welt geteilt. Völlig unerwartet für die Beteiligten Researcher kam als Kriterium Nummer 1 ‚Psychologische Sicherheit‘ heraus. Die Projektmitarbeiter hatten mit Dingen wie Teamzusammensetzung, Führungsstil usw. gerechnet. In diesen Bereichen gab es allerdings Beispiele von Teams, die sehr leistungsfähig waren, und solchen, die es genau gar nicht waren. Erst als sich das Projektteam Aristoteles ältere psychologische Forschungsarbeiten anschauten, kamen sie zu der Erkenntnis, dass psychologische Sicherheit der erfolgskritische Faktor Nr. 1 ist. Denn psychologische Sicherheit war ein Muster, das sich bei allen erfolgreichen Teams ihrer Datenerhebungen wiederfand.

Noch früher (1999) hat sich Amy Edmondson mit dem Thema beschäftigt und folgende Definition von Psychologischer Sicherheit geliefert: „die Gewissheit, dass man nicht sanktioniert oder gedemütigt wird, wenn man seine Ideen, Fragen, Bedenken oder Fehler offen anspricht, und dass das Team sicher ist, wenn man zwischenmenschliche Risiken eingeht“

Nun, warum ist psychologische Sicherheit so wichtig in einem Team? Ich versuche es mal mit meinen eigenen Worten.

Angst ist das Gegenteil von psychologischer Sicherheit. Angst ist ein schlechter Ratgeber, so sagt der Volksmund. Doch Angst ist da, wenn Verhalten und Reaktionen von Kollegen und Führungskräften beispielsweise nicht vorhersehbar sind oder immer nur eine Person im Team die Meetings dominiert.

Oft sehe ich Führungskräfte und Teamkolleg:innen, die sich ihres Verhaltens wahrscheinlich nicht bewusst sind und mit unbedachten Handlungen, Gesten oder Worten die psychologische Sicherheit für das Team gefährden oder gar zunichte machen. Zu meinen Beobachtungen gehören unter anderen:

  • Sprunghaftigkeit: mal gibt es für die eine Sache Anerkennung, mal für die gleiche Sache Kritik
  • Augenrollen, bei Ideen, die erst einmal nicht ins Bild zu passen scheinen
  • Vorschläge, die mit einem „Ja, aber…“ vorschnell abgebügelt werden


Dieses Verhalten beziehungsweise eine solche Team- oder Firmenkultur fördert Angst und verhindert oder schmälert Innovationsfähigkeit, Lösungskompetenz und Qualität.

Zu erkennen, dass psychologische Sicherheit in einem bestimmten Umfeld nicht gegeben ist, ist der erste wichtige Schritt zur Korrektur. Dabei könnten Fragen an das Team helfen, die von jedem Teammitglied einzeln anonym beantwortet werden. Sie sind vor allem hilfreich, wenn sie während der Transformationsphase hin zu einer höheren psychologischen Sicherheit in regelmäßigen Abständen gestellt werden. Dann können sie Aufschluss darüber geben, ob die Organisation oder das jeweilige Team auf einem guten Weg ist. Beispiele dazu könnten sein:

  • Wie groß ist für Dich die Hürde, Fehler zuzugeben?
  • Wie leicht fällt es Dir, andere aus dem Team um Hilfe zu bitten?
  • Wie gerne teilst Du eigene Ideen, ohne sie vorher im Detail durchdacht zu haben?


Bekannterweise kann man eine Kultur, auch die der psychologischen Sicherheit, nicht einfach erschaffen, aber man kann Rituale, Routinen, Verhaltensabsprachen treffen, mit denen es gelingt, nach und nach ein sichereres Umfeld für die Mitarbeiter:innen wachsen zu lassen. Aus meiner Sicht ist es eine der Kernaufgaben einer Führungskraft, ein angstfreies Arbeitsumfeld zu gewährleisten.

Ich möchte hier einige Gedankenanstöße geben, wie psychologische Sicherheit gefördert werden kann:

  • Auf gleichmäßige Redeanteile bei allen Teammitgliedern achten, z.B. über entsprechende Verantwortungsverteilung oder Meeting-Formate, in denen in Runden gesprochen wird
  • Raum für Verletzlichkeit schaffen, z.B. über persönliche Geschichten, die immer mal wieder Platz finden, und damit eine gute Wahrnehmung füreinander schaffen
  • Eine „Ja, und…“ Gesprächskultur etablieren, in der Bedenken erst einmal zurückgehalten werden, bis eine Idee Form angenommen hat, um ihr eine echte Überlebenschance zu geben
  • Teamentscheidungen treffen, nach klaren Regeln und mit voller Transparenz, z.B. über das Einwand-Integrationsverfahren (auch Konsentprinzip genannt)
  • Gemachte Fehler gemeinsam aufarbeiten und das Gelernte daraus in den Vordergrund stellen
  • Einen wertschätzenden Feedbackprozess etablieren


Ein letzter Punkt darf aus meiner Sicht nicht fehlen. Er ist allerdings der schwierigste in der Umsetzung: Spannungen und Kritik müssen offen angesprochen und zeitnah geklärt werden können. Im Prinzip ist dieser Punkt das Ergebnis eines Umfelds von psychologischer Sicherheit. Das heißt, wenn nicht alles kuschelig und nett ist, sondern es auch mal kontrovers zugeht oder sehr erhitzt debattiert wird, dann hat man ein gutes Indiz dafür, dass es bereits psychologische Sicherheit gibt. Denn die Teammitglieder haben keine Angst mehr, für ihre Ideen zu kämpfen, auch wenn keine andere Person hinter ihrer Meinung steht. Ein anderes Indiz für ein sicheres Umfeld ist, wenn Teammitglieder oder die Führungskraft es direkt ansprechen, wenn sie etwas stört oder sie sich von einer oder mehreren Personen ungerecht behandelt fühlen.

Ich für mich vergleiche den Zustand der psychologischen Sicherheit in einem Team mit dem System meiner Familie: wir sind zu viert, meine Kinder erwachsen mit fast 18 und 20 Jahren, und es knallt doch sehr häufig. Themen werden kontrovers diskutiert, es wird auch mal laut und wenn sich jemand übergangen fühlt, wird es sogleich ausgesprochen. Von Angst gibt es hier jedenfalls keine Anzeichen. 
Gleichzeitig wird mir von meinem Mann immer wieder gespiegelt, dass ich mit meinen Teams sehr viel geduldiger und großzügiger bin als zuhause. Und er hat Recht. Natürlich ist (zumindest sollte es so sein) die Art der Kommunikation im Unternehmen sehr viel reflektierter und bedachter als in der Familie und das ist auch gut so!

Und hier kommt die Überleitung zu dem bevorstehenden Weihnachtsfest: Ich wünsche Euch und Euren Familien ein geruhsames Weihnachtsfest und einen guten Start ins Jahr 2024!

Falls Ihr Euch streitet, streitet Euch fair, kommt danach zu einer guten Lösung und seid dankbar für das Miteinander!

In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten!

Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden dritten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren


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Andrea SchmittInnovationstrainerinAm Mittelpfad 24a65520 Bad Camberg+49 64 34-905 997+49 175 5196446
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