Lasst uns über Geld reden!

Bisher ist es für uns vertraut, dass Mitarbeiter mehr oder weniger regelmäßig ihre Führungskraft aufsuchen und um Gehaltserhöhungen bitten - oder in dem jährlichen Beurteilungsgespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in wird abhängig von der persönlichen Zielerreichung eine Gehaltserhöhung oder Bonuszahlung festgelegt.

Gehalt vom Team entscheiden lassen...

In meiner täglichen Transformationsarbeit begleite ich viele Teams auf dem Weg hin zu agilem Arbeiten oder zu kollegialer beziehungsweise verteilter Führung. Diese neuen Zusammenarbeitsmodelle verschieben Verantwortung zu den Teams, meist in Form von kollektiver Teamverantwortung. An dieser Stelle machen Individualzielvereinbarungen, die an Bonuszahlungen oder Gehaltserhöhungen gekoppelt sind, keinen Sinn mehr. Um den Teamgeist nicht zu zerstören, lösen Teamzielvereinbarungen die Einzelzielvereinbarungen ab. Das wirft die Frage auf: „Wie und auf welcher Basis sollen dann individuelle Gehaltserhöhungen bestimmt werden und von wem?“ 

Nun, die Frage nach welchen Kriterien Gehaltserhöhungen festgelegt werden sollen, muss jedes Unternehmen oder jede Abteilung für sich entscheiden, je nach Aufgabe und Ausrichtung. Kriterien könnten unter anderem sein: persönliche Weiterentwicklung bzw. Lernbereitschaft der Mitarbeiter:innen, ihr Fachwissen, ihr Beitrag zur Teamentwicklung zum Beispiel bezogen auf Vertrauensbildung usw. 

Die Frage: „Wer soll die Gehaltserhöhung bestimmen?“ lässt sich aus meiner Sicht einfach beantworten: die, die es beurteilen können und gemeinsam die Verantwortung für das Teilziel tragen - die direkten Kollegen und Kolleginnen. Wie das gehen kann, haben Firmen wie die Kartenmacherei (Celebrate Company) oder Seibert Media individuell für sich selbst definiert (siehe Links unten). Thorsten Heintke von flowedoo bezeichnet den Prozess als „Gehaltspoker“. Dieser, wie auch immer er gelebt wird, hat in allen Fällen mit Peer-Feedback von 2 bis 7 Kolleginnen und Kollegen zu tun, entweder anonym oder offen. Er erfordert eine Kultur der Transparenz und des Feedbacks. 

Eine Kultur der Transparenz ist nötig, weil die Personen, die ein Gehalt oder eine Gehaltserhöhung vorschlagen, die Unternehmenszahlen und Bilanzen kennen müssen. Denn natürlich können Gehälter nicht losgelöst von der finanziellen Situation des Unternehmens festgelegt werden. Außerdem bedeutet dieser Ansatz eine Transparenz über die Gehälter der Kollegen und Kolleginnen.

Gleichzeitig müssen die Teammitglieder mit Feedback umgehen können, denn die Gehaltsvorschläge von den Peers kommen mit Begründungen. Auch wenn diese anonymisiert werden, müssen die Personen das Feedback annehmen können. 

Diesen Ansatz, in dem Mitarbeiter:innen im Team über Gehaltserhöhungen ihrer Peers entscheiden, ist vor allem in agilen oder kollegial geführten Unternehmen adäquat und dort setze ich eine Kultur der Transparenz und des Feedbacks voraus.

Zwei Nebenbemerkungen möchte ich noch anführen:

  1. Transparenz bei den Gehältern sollte sich so langsam in den Köpfen durchsetzen, denn es liegen zwei aktuelle Urteile (eines des Bundesarbeitsgerichts und eines des Europäischen Gerichtshofs) vor, die das Recht der Arbeitnehmer:innen bezüglich Entgelttransparenz und Entgeltgleichheit stärken. (siehe Link unten: BAG und EuGH stärken Fair Pay von Sebastian Müller – Perspektiven 3 2021 DFK)
  2. Mehr Geld motiviert nicht wirklich, sobald es für einen ausreichenden Lebensunterhalt sorgt. Man muss also auch nicht so einen Bohei um Gehaltserhöhungen und Gehälter machen. Das haben viele Studien gezeigt. (Siehe Beyond Money von Frank Weber – Perspektiven 3 2021 DFK). Auch Daniel Pink hat das in seinem Buch ‚Drive‘ sehr eindrücklich gezeigt. Statt Geld führt er Mastery (herausragende Entwicklungsmöglichkeiten), Purpose (Sinn) und Autonomy (Gestaltungsspielraum) als steigernde Elemente für intrinsische Motivation an.


Mein Fazit: Die Idee, dass Teammitglieder über das Gehalt ihrer Kolleginnen und Kollegen entscheiden, finde ich genial. Ich glaube daran, dass Gehälter dadurch gerechter verteilt werden. Außerdem ist Feedback unter Peers gleich mit eingebaut und es lastest nicht der ganze Entscheidungsdruck auf wenigen Führungskräften. Gleichzeitig werden Transparenz und Fairness im Unternehmen gestärkt. Fallen mir auch Gegenargumente ein? Vielleicht. Es braucht Mut und vor allem Geduld, den geeigneten Prozess für das jeweilige Unternehmen iterativ mit allen zu entwickeln.

Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden zweiten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren


Lesetipps:

Ausgabe: 3 2021 - Schwerpunkt Gehalt - Perspektiven - Magazin für Fach und Führungskräfte

Agilität als Gamechanger für die Gehaltsverhandlung – Thorsten Heintke

Schluss mit Gehaltsverhandlungen: In diesem Unternehmen bestimmen die Kollegen, was jeder verdient – Franziska Telser

Wenn Mitarbeiter selbst über Ihr Gehalt bestimmen – Buchreport: New Pay - Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle von Sven Franke, Stefanie Hornung, Nadine Nobile

Ein agiles Unternehmen aus Deutschland – Celebrate Company

Ein weiteres agiles Unternehmen aus Deutschland – Seibert Media


Andrea SchmittInnovationstrainerinAm Mittelpfad 24a65520 Bad Camberg+49 64 34-905 997+49 175 5196446
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