In meinem letzten Newsletter habe ich meine Sichtweise dargelegt, warum ich Konflikte für notwendig und sinnvoll erachte. Heute möchte ich der Frage nachgehen, was man tun kann, um Konflikten und ihrer Dynamik nicht hilflos ausgeliefert zu sein.
Normalerweise werden wir von einem Konflikt überrascht. Denn es ist für uns normal und auch erst einmal ressourcenschonend, ausschließlich die eigene Perspektive im Kopf zu haben. Der Konflikt entsteht, wenn unsere Perspektive auf die Perspektive eines anderen Menschen stößt. Wir hätten eigentlich mit dem Konflikt rechnen können, haben uns aber der Illusion hingegeben, dass der oder die andere die Welt genauso sieht wie wir selbst.
Ok, was also tun, wenn der Konflikt da ist?
Ein erster Schritt könnte sein mit Neugier und Entdeckergeist die Perspektive der anderen Person zu erforschen. Wo kommt sie her? Was sind die darunter liegenden Bedürfnisse, usw.? Meistens entsteht dadurch Wertschätzung für die andere Person und ihre Bedürfnisse, welche die andere Person wahrnehmen kann, was wiederum die Situation entspannt.
Hilfreich, um einen Konflikt zu regulieren, ist es auch mit Widersprüchen und Mehrdeutigkeiten umgehen zu können und zu akzeptieren, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt, sondern viele mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen für die am Konflikt beteiligten Personen.
Hier setzt ein weiterer Hebel an, Konflikte gut zu regulieren, nämlich den Lösungsraum zu öffnen und nach weiteren Wegen und Möglichkeiten zu suchen, die für alle Beteiligten tragbar sind. Das heißt, anstatt den einen besten Weg für Person X einzuschlagen oder den anderen besten Weg für Person Y, einen ganz neuen für beide tragbaren Weg zu suchen. Dafür braucht es die Neugier, die ich schon angesprochen habe, die Perspektive der anderen Person zu erforschen und das Anerkennen der Existenz von mehreren Wahrheiten: mindestens eine Wahrheit aus Sicht von Person X und eine andere aus Sicht von Person Y.
Eine persönliche Grundvoraussetzung für eine gute Konfliktregulation ist die Fähigkeit der Selbstreflexion und Selbst-Distanz. Hiermit geht einher, sich selbst von außen betrachten zu können und damit eine Ahnung zu bekommen, wie das eigene Verhalten oder die eigenen Worte auf andere wirken könnten.
Ein Mensch, der selbstreflektiert ist, läuft außerdem weniger Gefahr im Affekt zu reagieren, denn er kennt seine „Triggerpunkte“ (inneren Spannungen und möglicherweise unbearbeiteten Gefühle). Im besten Fall hat er ein Warnsystem mitlaufen, welches, sobald im Konflikt eine innere Spannung getroffen wird, aufleuchtet und ihn an die nötige Selbstregulation erinnert.
Die Fähigkeit zur Selbstreflexion erlaubt normalerweise auch, gut mit sich selbst in Verbindung zu sein. Das ist aus meiner Sicht die wichtigste Eigenschaft, um Konflikte gut regulieren zu können. Diese Verbindung zu sich selbst, erlaubt Kapazitäten („Antennen“) freizuhaben, um Irritationen im Umfeld gut und früh wahrnehmen zu können. Somit wird man weniger vom Konflikt überrascht und kann rechtzeitig mit der Regulierung beginnen.
Zum Abschluss möchte ich nochmal betonen, dass Konfliktregulation für mich nicht bedeutet, den Konflikt so schnell wie möglich zum Schweigen zu bringen oder zu beenden, sondern vielmehr den Zweck des Konfliktes früh zu erkennen und die dafür nötigen Kommunikations-, Spiel- und Lösungsräume für den Konflikt zu schaffen.
Wie gehst Du mit Konflikten um? Nutzt Du unterschiedliche Strategien im Umgang mit Konflikten in deinem privaten Umfeld verglichen zu Konflikten in deinem Arbeitsalltag?
Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint einmal im Monat. Hier können Sie ihn abonnieren