In meinem letzten Newsletter zum Thema ‚Entscheidungen in einer komplexen Welt‘ habe ich die Intuition als guten Ratgeber in komplexen unübersichtlichen Entscheidungskontexten angeführt.
Aber was ist überhaupt Intuition, wann ist sie ein guter Ratgeber und wann kann sie uns auch in die Irre führen?
Unsere Intuition wird gespeist aus unseren Erfahrungen und den damit verbundenen Emotionen. Sie begleitet unsere Entscheidungsprozesse immer – mehr oder weniger unbewusst. Sie ist ein guter Ratgeber in Kontexten, in denen wir uns üblicherweise bewegen. Stoßen wir in neue Umwelten vor, kann uns die Intuition auch in die Irre führen, nämlich dann, wenn die Erfahrungen, die wir gemacht haben, keine Relevanz für die neue Umwelt haben.
Ein Beispiel aus meiner eigenen Beratungspraxis: Die meisten meiner Kunden kommen aus der Business-Welt unterschiedlichster Branchen. Gemeinsam haben sie, dass sie gewinnorientiert arbeiten. Als ich das erste Mal auf eine Kommune als Kundin stieß und ich mit einer Gruppe Sozialarbeiter:innen einen Workshop durchführen sollte, führte mich meine Intuition in die Irre. Im Nachhinein ist mir natürlich klar, dass meine Erfahrungen und die damit verbundenen Emotionen nicht mit dem für mich neuen Umfeld der Sozialarbeit zusammenpassten. Meine Entscheidungen, die ich in der Vorbereitungsphase des Workshops getroffen hatte, waren also nicht die allerbesten, was sich darin zeigte, dass ich mit meinen ‚Messages‘ die Teilnehmer:innen verwirrte und die Aussagen der Teilnehmer:innen mich irritierten. Am Ende gingen wir alle verunsichert auseinander.
In diesem speziellen Beispiel habe ich es mir zu einfach gemacht, indem ich mich zu stark auf meine Intuition (implizites Wissen) verlassen habe, ohne zu erkennen, dass dieses implizite Wissen nicht gut auf den neuen Kontext übertragbar war.
In den meisten Fällen ist unsere Intuition allerdings ein guter Berater und Gerhard Roth von der Universität Bremen behauptet sogar, alle Entscheidungen sind letztlich Gefühlsentscheidungen. Falls das eine Wahrheit sein sollte, ist das für mich als Ingenieurin, natürlich schwer zu ertragen. Denn für wichtige Entscheidungen habe ich den eigenen Anspruch, alle Daten und Fakten sorgfältig zu sichten, um dann die für meine Ziele kognitiv beste Entscheidung zu treffen.
Natürlich möchte ich niemandem empfehlen, ganz auf das logische Denken, welches im Stammhirn stattfindet, zu verzichten. Aber gleichzeitig möchte ich dazu einladen, die Vorteile der Intuition zu betrachten und anzuerkennen, dass unser Unterbewusstsein (also unser limbisches System – in dem unsere Intuition verortet wird) sowieso bei jeder Entscheidung mitwirkt.
Und das ist auch gut so, denn unsere Intuition ist
- „Wissen, das auf Erfahrung beruht und durch direkten Kontakt mit dem Wahrgenommenen erworben wird…“ (Eric Berne)
- „plötzlich und gewiss“ (Ruth Cohn)
- „Vermuten und Ahnen über das Woher und Wohin“ (Carl Gustav Jung)
- „Eingebung, plötzliches ahnendes Erfassen“ (Duden)
Jeder hat das vielleicht schon einmal erlebt, dass plötzlich eine innere Stimme, die lange mit sich herumgetragene schwierige Entscheidung mit einem klaren Hinweis beendet. Oder ein inneres Bild taucht auf, das den Impuls für eine Entscheidungsrichtung setzt. Auch körperliche Reaktionen wie Anspannung, Energie oder Gelöstheit können Intuition anzeigen. Jede Person hat womöglich eine Tendenz, wie sich Intuition bei ihr am häufigsten zeigt.
Die Intuition nicht zu beachten, würde bedeuten, auf eine Wissensquelle zu verzichten. Und wer will schon eine Wissensquelle ignorieren? Vor allem in komplexen Kontexten, wenn es gar nicht so einfach ist, die Situation analytisch zu überblicken bzw. zu erfassen, ist unsere Intuition vielleicht die einzige oder zumindest eine sehr wichtige Wissensquelle. Außerdem kann Intuition auch eine kreative Komponente haben und in dieser Variante Ideen zum Beispiel in Form von Geistesblitzen liefern. Auch diese kommen aus dem Unterbewusstsein, denn sie tauchen nicht auf, wenn man intensiv nachdenkt, sondern gerade etwas ganz anderes macht.
Intuition speist sich also aus Vergangenem, das im Unterbewusstsein gespeichert ist und in bestimmten Situationen abgerufen werden kann. Dieses Abrufen oder den Zugang zu dem unterbewussten Wissen kann man trainieren. Jedes menschliche Individuum hat eine Intuition, die Fähigkeit sie zu hören und wahrzunehmen ist allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt. Wer noch keinen guten Zugang zu seiner Intuition verspürt, sollte diesen aus meiner Sicht unbedingt trainieren.
Zum Beispiel über:
- Reflexion: Sich Zeit nehmen, um über vergangene Entscheidungen und die Rolle der Intuition dabei nachzudenken.
- Positive Einstellung zur Intuition: Die Intuition als etwas Positives anerkennen, kann der erste Schritt sein, sie auch besser wahrzunehmen.
- Öfter mal auf das Bauchgefühl hören kann dabei helfen, ein stärkeres Bewusstsein und Vertrauen in die eigene Intuition zu entwickeln.
- Integration von Vernunft und Intuition: Anstatt beides voneinander scharf trennen zu wollen, akzeptieren, dass Unterbewusstsein und Wahrnehmung bei jeder vermeintlich logischen Entscheidung immer mitschwingen.
- Achtsamkeit und Meditation helfen dabei die Verbindung zu unserem inneren Selbst zu stärken und die Stimme unserer Intuition lauter werden zu lassen.
Ich möchte diesen Newsletter mit folgendem Zitat abschließen: „Das einzig wirklich Wertvolle ist die Intuition.“ Albert Einstein
Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint jeden dritten Mittwoch – Hier können Sie ihn abonnieren