Ob Fachzeitschriften, Tageszeitungen oder Blogbeiträge: überall finden sich Artikel über die Besonderheiten der Generation Z, die gerade zum ersten Mal den Arbeitsmarkt betritt. In diversen Beiträgen werden ihr bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, wie sie sei faul, unverbindlich, unstet sowie wählerisch und würde vermehrt auf eine Work-Life-Balance achten. Übrigens gab es diverse Zuschreibungen bereits für die Generation Y, der man eine übersteigerte Sinnsuche und ein stetiges Hinterfragen (Why?) nachgesagt hatte. Die Generation X sollte fleißig, pflichtbewusst, konsum- und karriereorientiert sein.
Richtig ist, dass Menschen unterschiedlichen Alters unterschiedliche Bedürfnisse haben und andere Schwerpunkte setzen. Denn je nach Lebensphase und Alter haben wir andere Prioritäten. Das nennt man soziologisch den Alterseffekt.
Auch richtig ist, dass eine Umfrage zum Thema ‚Wichtigkeit von Erwerbsarbeit‘ 1980 ganz andere Ergebnisse geliefert hat als die gleiche Umfrage heute. Denn seit 1850 sinkt die Arbeitszeit und damit auch die gewünschte Arbeitszeit. Hier haben wir es mit einem gesamtgesellschaftlichen Wandel zu tun, den man soziologisch als Periodeneffekt bezeichnet. Andere Periodeneffekte sind wichtige Ereignisse, wie die Digitalisierung oder die Pandemie. Umfragen vor oder nach diesen wichtigen Ereignissen liefern unterschiedliche Ergebnisse. Das Thema ‚Wunsch nach Homeoffice‘ hat sich zum Beispiel durch die Pandemie stark verändert, das aber über alle Generationen gleichermaßen.
Wären die Zuschreibungen für die Generationen X, Y, Z, usw., die wir in so vielen Artikeln finden, richtig, müssten Menschen mit bestimmten Geburtsdaten die gleichen Schwerpunkte in ihrem Leben setzten egal, in welchem Alter wir sie befragen, und zusätzlich müssten wir noch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung sowie den Effekt von wichtigen Ereignissen herausrechnen. Genau das lässt sich laut dem Soziologen Martin Schröder nicht nachweisen. Es gibt also keinen Generationeneffekt (oder soziologisch gesprochen keinen Kohorteneffkt).
Das alles heißt aber nicht, dass Menschen der Generation Z, die heute den Arbeitsmarkt betreten, die gleichen Bedürfnisse haben wie wir (die Generation X) vor 25 oder 35 Jahren. Nur liegt das nicht an einem Generationeneffekt, sondern an der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung.
Die Führungs- und Leitungspositionen sind heute größtenteils mit Menschen aus der Generation X oder Y besetzt, welche auf junge und frisch ausgebildete Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen der Generation Z treffen. Die Menschen der Genration X oder Y sehen sich also vor der Herausforderung, dem Verhalten der jungen Menschen im Kontext der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zu begegnen und nicht ausschließlich aus ihrer eignen Erinnerung und Erfahrung als junge Berufseinsteiger:innen.
Arbeitsmarkt = Arbeitnehmermarkt: Die Menschen der Generation Z, die im Moment erstmals in den Arbeitsmarkt eintreten, finden eine Fülle von unbesetzten Stellen vor, sie können sich Ausbildungsplätze und andere Jobs aussuchen. Sie haben die Wahl - eine sehr große Wahl! Was es ihnen manchmal sehr schwer macht, sich zu entscheiden, und wenn sie sich einmal entschieden haben, denken sie sofort über die nächste Möglichkeit nach. Folglich bleiben sie nicht lange an einem Ort oder in einer Arbeitsstelle. Die Arbeitsmarktsituation unterscheidet sich also stark von der in den 80-iger oder 90-iger Jahren. Wenn man so viele Möglichkeiten am Arbeitsmarkt vorfindet wie die heutigen Berufseinsteiger:innen, ist es aus meiner Sicht völlig nachvollziehbar, dass man zumindest einige dieser Möglichkeiten zusätzlich ausprobieren möchte und somit schneller wechselt.
Bildung, Ausbildung und ganzheitliches Bewusstsein: Die heute jungen Menschen haben außerdem einen viel größeren Horizont als Menschen der Generation X bei Beginn ihrer Berufstätigkeit. Gestützt durch das Internet, den Zugang zu nahezu unendlich vielen Informationen, sowie die sozialen Medien, welche Informationen, ohne dass man nach ihnen suchen muss, täglich, stündlich ja sogar minütlich anbieten, sind die Menschen der Generation Z in einer Art und Weise informiert oder gar gebildet, wie es Menschen früherer Generationen erst in viel höherem Alter waren. Das führt dazu, dass Menschen der Generation Z viel mehr Perspektiven in ihre Entscheidungen mit einbeziehen, die wir, die Generation X oder Y, zu dem entsprechenden Zeitpunkt gar nicht hatten. Das macht die jungen Menschen wählerischer, weil sie informierter sind. Das umfasst auch das Thema der psychischen Gesundheit. Die Generation Z hat dazu viel mehr Informationen als wir (die älteren unter uns) sie hatten. Die logische Konsequenz ist, dass die heute jungen Menschen auf ihr Arbeitspensum, den Sinn, der mit der Arbeit kommen soll, sowie das Arbeitsumfeld viel stärker achten.
Meine persönliche Ableitung daraus ist, dass sich Unternehmen heute viel mehr anstrengen müssen, um engagierte und kompetente junge Menschen anzuwerben als noch vor 20 oder 30 Jahren.
Wie kann diese Anstrengung von Unternehmen, Fach- und Führungskräften aussehen:
- Einen wertschätzende Bewerbungsprozess anbieten, denn ein schlechter spricht sich unter der Generation Z schnell herum
- Den jungen Menschen zuhören
- Die jungen Menschen mit ihren Bedürfnissen und Wünschen ernst nehmen
- Das ‚Warum‘ beziehungsweise den Sinn des unternehmerischen Wirkens erklären können
- Nachhaltiges Wirtschaften nicht nur auf der eigenen Webseite kommunizieren, sondern es auch tun
- Nicht erwarten, dass die neuen jungen Mitarbeiter:innen 5, 10 oder gar 15 Jahre dem Unternehmen treu bleiben und sie trotzdem wertschätzen
- Eine angstfreie Unternehmenskultur bereitstellen, in der Fragen und Fehler erlaubt, Mitdenken und anders sein erwünscht sind
- Gute Führung mit klarer wertschätzender Kommunikation anbieten
- Persönliche und berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, auch wenn das dazu führt, dass die Mitarbeitenden aus dem Unternehmen hinauswachsen und somit mittelfristig wieder für das Unternehmen verloren gehen
- Wissensaustausch zwischen jungen und älteren Mitarbeitenden moderieren
- Flexible Arbeitszeitmodelle anbieten
Das sind in der Tat viele Punkte, allerdings dienen sie allen Mitarbeitenden des Unternehmens ganz gleich welchen Alters und fördern langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Fazit: Um nochmal zurückzukommen auf den Aspekt der emotionale Reife und des ganzheitlichen Bewusstseins: nach meiner Überzeugung starten die jungen Menschen mit einer höheren Reife und einem ganzheitlicheren Bewusstsein in ihr Berufsleben, was dazu führt, dass sie ihre Bedürfnisse viel besser formulieren können als wir (die Generation X oder Y) zur Zeit unseres Berufseinstiegs es konnten. Deshalb können die Forderungen der Generation Z auf den ersten Blick überzogen wirken. Wenn wir aber genauer hinschauen, könnten wir zu der Erkenntnis kommen, dass wir einfach länger gebraucht haben, unsere Bedürfnisse zu erkennen und zu formulieren. Denn inzwischen beobachte ich, dass auch eine beachtliche Zahl an Menschen zwischen 45 und 55 Jahre, Sinn in ihrer Arbeit suchen oder nochmal ein Sabbatical einschieben oder ihre Arbeitszeit auf 80% reduzieren möchten. Aus meiner Sicht ist uns die Generation Z mehrere Jahrzehnte voraus.
Definitionen:
- Generation Z oder Zoomer: 1995 bis 2010 (heute 14 bis 29 Jahre alt)
- Generation Y oder Millennials: 1980 bis 1995 (heute 29 bis 44 Jahre alt)
- Generation X: 1965 bis 1980 (heute 44 bis 59 Jahre alt)
- Babyboomer: 1945 bis 1965 (heute 59 bis 79 Jahre alt)
Dieser Text erschien zuerst in meinem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Der Newsletter erscheint alle drei bis vier Wochen. Hier können Sie ihn abonnieren